Stumpf und Tote am Fließband: Indiana Jones und das Rad des Schicksals (OT: Indiana Jones and the Dial of Destiny), USA 2023

Zwei Stunden und 34 Minuten Filmlänge für den fünften Indiana Jones Titel setzen unweigerlich mein assoziatives Gedächtnis in Gang. Verglichen wird der neue Indiana Jones mit anderen gesehenen Langfilmen. „Lawrence of Arabia“ (USA 1962) als erstes Beispiel mit seinen drei Stunden und 38 Minuten bedeutet immer mal wieder einen Filmgenuss mit Noblesse und dem Abtauchen in ein Hollywood stilvollerer Zeiten, mitsamt eines unvergesslichen Omar Sharif.

Andersrum machte mich seinerzeit „The English Patient“ (USA 1996) mit den zwei Stunden und 42 Minuten zum tapfren Durchgucker mit einer Gewissheit, dass es mit einem Anschauen des langatmigen Kriegsdramas gut sein soll. Schlimmer noch, am Ende gar ein Ritterschlag duldsamer Hingebung, war „The Tree of Life“ (USA 2011) mit eigentlich „nur“ zwei Stunden und 19 Minuten. Leider hat es der gute Terrence Malick irgendwie hinbekommen, dass sich diese Strecke in relativistischer Manier gen Unendlichkeit dehnte. Zugute halten muss ich Malick allerdings „Der schmale Grat“ (OT: The Thin Red Line, USA 1996), dort zwei Stunden und 50 Minuten mit Erlebnissen am Rande des erzählerischen und visuellen Olymps. Gekrönt von der Bestbesetzung des Protagonisten durch Jim Caviezel als tiefe Seele und desertierenden Infanteristen inmitten des im Paradies wütenden Krieges. Das vergisst sich nimmermehr. Bravo!

Im Themenfeld filmischer Überlänge bliebe des Weiteren, und das ist übrigens gar nicht mal lange her, der reichliche aber prima drei Stunden und 12 Minuten währende optische Genussreigen eines „Avatar: The Way of Water“ (USA 2022). Auch in diesem Film mit seinem inflationären Vorkommen blauer Haut gab es immer wieder das Zuviel an Gewalt, geblieben ist dennoch die dreidimensionale Erfahrung geradezu spiritueller Symbiose des Planeten Pandora mit seinen Lebewesen.

Mit Bezug auf diese Überlegungen lässt sich schonmal zwischendrin schlussfolgern, dass ein ehrlich geschnittener 85-Minuten Streifen mäßigen Stoffs mitunter besser schaubar bleibt als ein aufwendiger (labe dich an der alten Schreibweise!) Film mit im Kern potentialträchtigerer Geschichte. Letzter kann in der Gunst schwer wie Blei fallen, wenn er sichtlich das versalzene verbrannte ungenießbare Gericht vieler Köche ist. Moderne Filme sind teuer im alttestamentarischer Güte. Insofern haben neben den Kreativen noch mehrere geldgebende Banken das Mitspracherecht, diese ziehen Juristen hinzu, Regie und Schnitt wollen’s am Ende mitunter noch retten, doch dann kommen wieder die Interessen der Finanziers ins Spiel, Bedenken werden der Kunst gleichgestellt oder über ihr thronend zum maßgeblichen Urteil ob des Verbleibs oder der Gestaltung einzelner Szenen. Und ja, so manche Filmen jüngster Zeit, keinen speziellen will ich hier anführen, gedeihen zu Opfern der Wokeness und der neuen Grenzlegungen des Denkens und des Ausdrucks.

Über den Beruf des Professor Jones

Die Lehre von den Altertümern (Archäologie) ist als vergleichsweise junge Wissenschaft seit ihren Anfängen im 15. Jahrhundert sicherlich facettenreich ausgeprägt, schließlich zielt jede Betrachtung des Archäologischen auf die Epoche des Untersuchten, die Epoche des Untersuchers und die angewandten natur- wie geisteswissenschaftlichen Mittel. Gemeinsame Nenner dürften sein vieles Studieren, vieles Lesen, vieles Diskutieren in der archäologischen Gemeinschaft, vieles Planen, vieles Buhlen um Mittel, langwierige Antragstellungen, langwieriges Buddeln, vieles Pinseln, vieles Notieren, vieles Auswerten, das Erstellen möglichst konsensfähiger Statistiken, das Einordnen ins Bauwerk aller Erkenntnisse, das Publizieren.

Weniger gehört zum Stereotyp der Berufsgruppe das permanente Fernbleiben von den universitären Verpflichtungen, das Verprügeln und Totschießen von Nazischergen, wilde agentenhafte Verfolgungsjagden im Motorrad mit Beiwagen, die wilde Hatz und Gewaltorgie in entgleisenden Zügen, in Flugzeugen und inmitten der Schlacht um Syrakus nach erfolgtem Zeitsprung in Zweihundertirgendwas vor Christus.

Wenn schon keine Archäologie, was bringt der Film dann mit?

Aber, und um dem Genre des Unterhaltungsfilms Respekt zu zollen, die Kunst ist frei. Staubtrockene Archäologie in 154 Minuten Länge würde kein Massenpublikum in die Kinos dieser Welt bekommen. Außerdem würden im Leben keine 295 Millionen Dollar Budget für die Produktion gerafft. Der Aufguss der vierzigjährigen Abenteuerphantasie bleibt also ein actionbewehrter Unterhaltungsfilm, welcher auch in die Schublade Fantasy mehr oder minder gut aufgehoben wäre.

Was der Film mitbringt, das deckt sich sicherlich mit dem, was die treuen Indiana Fans erwarten. Er bringt mit, wonach in postplandemischen Zeiten die Genußsüchtigen harren, nämlich jedweder Ablenkung vom Wahn außerhalb des Kinosaals. Die aufdringliche Gestaltung des Films besorgt den Rest.

Aber was macht diesen Rest aus? Schließlich habe ich selbst dieser Fortsetzung nichts, rein gar nichts abgewinnen können. Um mich herum im Kino konnte ich kein Mitfiebern sehen, kein Mitlachen hören, allein das gedankenlose Konsumieren auf Autopilot passierte auf jedem einzelnen Kinositz. So meine Wahrnehmung. Doch zurück zur Frage: Was ist dieser Rest, der einen auf dem Kinosessel hält und dieses Machwerk ertragen lässt? Nun, es ist das virtuose Spielen auf der Klaviatur dramaturgischer Mittel, perfekter Bildgestaltung mit absolut glaubwürdiger Ende-der-Sechziger Anfang-der-Siebziger Umgebung, die digitale Verjüngung des Protagonisten im ersten Abschnitt des Films, und dann und vor allem die geradezu psychologische Inanspruchnahme der Aufmerksamkeit durch die Finesse seiner Macher.

Außer Spesen nichts gewesen

Ja, der originäre Indiana Jones Streifen von 1981 war und bleibt famos. Han Solo konnte ohne Chewbaca und dafür mit Peitsche glänzen. Zudem waren die Zeiten bessere und lustigere.

Seine wohl letzte Darstellung des peitschenbewehrten Abenteurers sei Mr. Ford vergönnt, ebenso die 25 Millionen Dollar Gage auf Harrisons Bankkonto. Von der Verzeihlaune soll auch profitieren die farblos bleibende Phoebe Waller-Bridge. Ihre Rolle, die Jungarchäologien Helena, schafft einzig Ablehnung und Unsympathie beim Zuseher. Gleiches mit den vielen Toten in schier allen Segmenten des Films: hier passiert Gewalt um ihrer selbst willen, ein abgestumpftes willfähriges Publikum wird bedient.

Nun, mit über 50, reift längst im Verfasser dieser Zeilen die Erkenntnis, dass das Leben im Prinzip zu kurz ist für derlei cineastische Entgleisung. Nach dem Kino befriedeten zwei gute Gin Tonic des Landflaneurs Mißmut ob dergestalt vergeudeter Leinwandfläche.

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